Die EU-Kommission will russische Gasimporte schrittweise bis 2027 stoppen. Vor dem Hintergrund anhaltender russischer Angriffe auf die Ukraine und einer gescheiterten Friedensmission des Westens, muss der Finanzierungsstrom nach Russland zum Erliegen kommen, so die Kommissions-Präsidentin Von der Leyen. Bis zum Jahr 2024 hat die EU bereits weitreichende Sanktionen gegen Russland verhängt, darunter Importverbote für Kohle und Öl. Im Fall von Erdgas ist die Situation wesentlich brisanter, denn viele Mitgliedstaaten aus Mittel- und Osteuropa sind nach wie vor stark von russischen Gaslieferungen abhängig. Doch die EU-Kommission will nun einen flächendeckenden Ausstieg durchsetzen, um den Druck auf das Regime in Moskau zu erhöhen. In 2024 machten russische Gaslieferungen noch immer rund 19 % der gesamten EU-Gasimporte aus. Welche Aktien sollten Anleger im Energiesektor favorisieren?
Europas Abhängigkeit von russischem Gas soll sich drastisch verringern
Analysten sehen im Vorschlag der EU-Kommission, neue Verträge mit Russland zu untersagen und bestehende Gaslieferungen bis 2027 auslaufen zu lassen, einen Wendepunkt. Einfach wird es sicher nicht, denn mehrere EU-Staaten importieren noch immer Erdgas aus Russland und das seit gut drei Jahren nach Kriegsbeginn. In 2024 stammten noch immer 19 % der EU-Gasimporte aus Russland, ein untragbarer Zustand für viele Verantwortliche. Laut Statista wurden in 2023 Erdgas und LNG im Wert von 15,6 Mrd. EUR aus Russland in die EU importiert, bereits damals überflügelte die USA diesen Wert mit 19,1 Mrd. EUR. Ist die USA also der große Profiteur der europäischen Gaskrise? Politiker aus dem Weißen Haus würden dies verneinen, defacto wird die USA aber ab 2027 fast alle Konkurrenten außerhalb Europas aus dem Markt verdrängt haben. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die EU-Staaten bereits massiv in die Energiesicherheit investiert. Dazu zählen insbesondere der Bau und die Erweiterung von LNG-Terminals, die Stärkung von Gasfernleitungen zwischen Mitgliedstaaten sowie die verbesserte Anbindung an internationale Lieferquellen wie Norwegen, die USA, Katar, Algerien und Aserbaidschan. Norwegen bleibt aktuell größter Lieferant mit 117,6 Mrd. Kubikmeter Pipelinegas nach Europa. Der Gegenwert lag hier in 2023 bei rund 60 Mrd. EUR oder 30 % der gesamten Gasimporte. Die Abhängigkeit zu Russland verringert sich somit von Jahr zu Jahr – Mission im Plan!
TotalEnergies und Eni SPA – Stark im europäischen Gasgeschäft
Eine große Chance besteht nun für europäische Erzeuger, ihre Explorationen auszudehnen, um den lukrativen EU-Markt zu beliefern. Dazu müssten natürlich vor allem in Mitteleuropa mehr Genehmigungen erteilt werden. Denn LNG-Importe wurden als Alternativquelle zur Corona-Pandemie zwar installiert, sie sind aber erheblich teurer als das Pipelinegas und bringen weitere Klimabelastungen mit sich. Deutschland sitzt laut Schätzungen auf ca. 35,6 Mrd. Kubikmeter erschließbares Gas, gefördert wurden davon in 2024 ganze 4,2 Mrd. m3 oder 5 % des Verbrauchs. Gas bleibt für viele europäische Industrien und Haushalte in den kommenden Jahren ein wichtiger Energieträger, immerhin machte Erdgas laut der Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (ACER) zuletzt etwa 22 % des Primärenergieverbrauchs in der EU aus. Der aktuelle Gasmangel erhöht den Druck für die europäische Energiewende, welche jedoch weder politisch noch logistisch sofort umsetzbar ist.
Die größten Gasunternehmen in Europa sind neben Shell und BP auch TotalEnergies (Xetra: TTFNF; WKN: 850727; ISIN: FR0000120271) und die italienische Eni (Xetra: EIPAF; WKN: 897791; ISIN: IT0003132476). In Q1-2025 zeigte sich das Gasgeschäft von TotalEnergies robust und weiterhin als zentraler Ertragspfeiler des Konzerns. Besonders das Segment „Integrated LNG“ lieferte mit einem bereinigten EBIT von 1,3 Mrd. USD starke Zahlen. Die LNG-Verkaufspreise blieben im Vergleich zum Vorjahresquartal weitgehend stabil, auch wenn sie im Vergleich zum vierten Quartal 2024 leicht zurückgingen. Gleichzeitig zeigte sich, dass das klassische Gasgeschäft unter den geopolitischen Unsicherheiten in Europa unter Druck geraten ist. Die Handelsaktivitäten im Gassektor entwickelten sich jedoch laut Unternehmensangaben „wie erwartet“ und stabilisierten sich auf hohem Niveau. Die konzerneigene Öl- und Gasproduktion stieg um 4 %, was ebenfalls zur Stabilisierung der Ergebnisse beitrug. Bei Eni liest sich das Q1-Ergebnis ähnlich gut. In Q1-2025 erwies sich insbesondere das Gas- und LNG-Geschäft erneut als stabiler Ertragspfeiler. Das bereinigte EBIT sank zwar um rund 11 % auf 1,4 Mrd. EUR, damit übertraf der Konzern aber die Erwartungen der Analysten, die mit rund 1,15 Mrd. EUR gerechnet hatten. Schwächere Ergebnisse in den Raffinerie- und Ölbereichen konnten durch stabile Upstream-Einnahmen sowie positive Entwicklungen im Gas- und Handelsspektrum teilweise ausgeglichen werden. Vor dem Hintergrund des weiterhin niedrigen Ölpreisniveaus passte Eni seine Investitionsplanung für das laufende Jahr auf unter 6 Mrd. EUR an, gleichzeitig wurden Kostensenkungen in Höhe von 2 Mrd. EUR umgesetzt. Aber Öl ist jetzt wieder 10 % teurer!
TotalEnergies liegt im 12-Monatsvergleich mit 55,30 EUR im Kursvergleich mit 11 % im Hintertreffen, das Unternehmen schüttete aber knapp 6 % Dividende aus und notiert mit einem 2025e KGV von 8,9. Besser liefen die Italiener mit bislang knapp 3 % Kursgewinn. Hier liegt das KGV 2025e ähnlich tief bei rund 10 und zuletzt wurden immerhin 7,5 % Dividende ausgeschüttet. Die Investition in einen europäischen Energie-Standardwert wie TotalEnergies oder Eni macht wegen der geringen Kursschwankungen für Langfristanleger durchaus Sinn.
CanCambria Energy Corp. – Jetzt ist die Lizenz in Ungarn erteilt
Ungarn spielt trotz EU-interner Spannungen eine zentrale Rolle als Gaslieferant und Transitland in Europa, besonders durch seine strategische Positionierung am TurkStream-Balkan-Netzwerk. Das Land importierte 2024 insgesamt etwa 7,6 Mrd. Kubikmeter russisches Pipelinegas über die serbisch-ungarische Verbindung des TurkStream-Netzes. Das entspricht einer Quote von 90 % der maximal möglichen Kapazität. Damit deckte Ungarn einen Großteil seines Bedarfs über diese Route. Weil man in der Zukunft eine gewichtige Rolle in der EU-Energieversorgung spielen möchte, baut Ungarn seine Gasinfrastruktur und die heimische Exploration aber stetig aus. Damit widersetzt man sich bislang erfolgreich den Brüsseler Beschlüssen. Ministerpräsident Orbán und Energieminister Szijjártó betonen die Wichtigkeit der TurkStream-Lieferungen für Wirtschaft und Versorgungssicherheit auch wenn die EU in Richtung Importstopp bis 2027 drängt. Ungarn betont insbesondere seine Wichtigkeit als Drehscheibe für große Gasmengen, die über Weiterleitungen v.a. nach Slowakei, Tschechien und Österreich gelangen.
Strategisch sinnvoll nimmt die Exploration von Gasfeldern im Süden des Landes an Fahrt auf. Aktuell tummeln sich auch ausländische Gesellschaften wie die kanadische CanCambria Energy Corp. (TSX-V: CCEC; WKN: A3EKUB; ISIN: CA13740E1079) in dem aufstrebenden osteuropäischen Land. Das Unternehmen hat das Tight Gas Sandprojekt „Kiskunhalas“ im Fokus. Mit einer Größe von 950 Quadratkilometern, ist das Erkundungsgebiet eine Perle des an der Börse mit knapp 74 Mio. CAD bewerteten Unternehmens. Das pannonische Becken, eine ausgedehnte Tiefebene im südlichen Ostmitteleuropa, liegt größtenteils in Ungarn. Viele flache Öl- und Gasfelder sind in dieser Erdölregion anzutreffen. CanCambria interessiert sich vor allem für die tieferen Beckenfüllungen (> 2.500 m), welche bisher wenig Aufmerksamkeit erregten. Sie könnten für Europa einen wichtigen Teil des zukünftigen „Versorgungs-Puzzles“ darstellen. CanCambria ist damit für einen kommenden Gas-Versorger der EU bestens positioniert. Ein Meilenstein erreicht uns Anfang der Woche. CanCambria ist mit dem Abschluss des Konzessionsvertrags für das knapp 950 Quadratkilometer große Kiskunhalas-Gebiet mit dem ungarischen Energieministerium einig geworden. Mit der Vertragsunterzeichnung beginnt offiziell eine vierjährige Explorationsphase, in deren Verlauf CanCambria das Potenzial des Gebiets systematisch untersuchen wird.
Laut CEO Dr. Paul Clarke markiert die Vertragsunterzeichnung einen bedeutenden Meilenstein: „Wir freuen uns sehr über diesen Schritt und darauf, die verbleibenden Schritte in den kommenden Wochen abzuschließen. Unsere Fachabteilung hat bereits mit der Auswertung der umfangreichen technischen Daten begonnen. Das Projekt besitzt das Potenzial, eine mehrjährige Bohrkampagne zu tragen.“
Das Konzessionsgebiet umfasst sowohl konventionelle als auch unkonventionelle Lagerstätten. Erste Auswertungen der bereits lizenzierten 3D-Seismikdaten aus dem Jahr 2011 zeigen Amplitudenanomalien über etwa 25 % der südlichen Konzessionsfläche, ein starkes Indiz für gasführende Gesteinsschichten. Ein bedeutender geologischer Schwerpunkt ist das sogenannte „Kiskunhalas-Trough“, das sich bis in die neue Konzession hinein erstreckt. Zusätzlich evaluiert das Unternehmen das flachere konventionelle Öl- und Gaspotenzial im gesamten Lizenzgebiet. Zahlreiche frühere Funde in der Region bilden die Grundlage für eine systematische Chancen-Risiko-Bewertung, deren erste Ergebnisse bis Jahresende erwartet werden. Modernste Technik, innovative Explorationsmethoden und internationale Erfahrung bringen CanCambria ein gutes Stück weiter in Richtung Absatzmärkte Europas. Die kommenden Monate werden von seismischen Untersuchungen und ersten Ressourcenbewertungen geprägt sein, welche die Grundlage für ein langfristiges Entwicklungsprogramm bilden.
Europa startet mit unter 40 % Speicher-Füllstand in den Sommer, darunter auch Deutschland mit ca. 46 %. Das liegt wegen des langen Winters weit unter dem 5-Jahres-Durchschnitt des zweiten Quartals. Der Rückstand gegenüber dem Vorjahr und dem langfristigen Durchschnitt schafft Raum für intensive Auffüllaktivitäten. In einem zunehmend energiepolitisch sensiblen, europäischen Markt sendet CanCambria mit seinen Fortschritten ein klares Signal: Die Erschließung heimischer Gasressourcen in politisch stabilen Regionen gewinnt weiter an Bedeutung. Je schneller – desto besser! Die CanCambria-Aktie mit dem Kanada-Kürzel CCEC steht aktuell bei etwa 0,65 CAD. Sie ist auch in Frankfurt und neuerdings am OTCQB-Markt der USA notiert. Die EU-Russland Diskussion wirkt wie Wasser auf die Mühlen der innereuropäischen Erschließungsprojekte. CanCambria ist an vorderster Front aktiv!
Centrica und OMV – Zwei Nischenplayer mit günstiger Bewertung
Die Gasversorgung folgt in jedem Teil Markt Europas seinen eigenen Gesetzen. Centrica plc. (LSE: CNA; WKN: A0DK6K; ISIN: GB00B033F229) ist der führende Gasversorger im Vereinigten Königreich und Muttergesellschaft der bekannten Marke British Gas. Das Unternehmen deckt mit Millionen von Haushalten sowohl die Endkundenversorgung als auch den Großhandels- und Speichermarkt ab. Centrica betreibt Speicheranlagen und ist im aktiven Handel an der britischen NBP-Gasbörse tätig. Durch Beteiligungen an der Gasförderung in der Nordsee sichert sich das Unternehmen auch eine eigenständige Beschaffungsbasis. Zu Beginn der Corona-Krise wäre Centrica beinahe pleite gegangen, seit 2020 hat sich der Wert aber wieder auf 9,6 Mrd. EUR vervierfacht. Auf der Plattform LSEG gibt es 10 von 16 Analysten, die eine Kaufempfehlung aussprechen. Die Kursziele liegen allerdings in enger Reichweite. Mit 3,4 % laufender Ausschüttung und einem aktuellen KGV 2025e von 5,2 ist Centrica aber ein günstiger Versorger im Standwertebereich. Der Brexit hat das inlandsorientierte Unternehmen eher gestärkt!
Mit der OMV AG (Xetra: OMV, WKN: 874341; ISIN: AT0000743059) finden wir einen weiteren Versorger mit einer herausragenden Ausschüttungs-Rendite von über 10 % auf dem Kurszettel. Weitestgehend unbemerkt hat sich das Unternehmen in den letzten Jahren zum dominierenden Energie-Player in Österreich und eine der wichtigsten Gasdrehscheiben Europas entwickelt. Die Marktstellung basiert auf folgenden Säulen: Förderung, Trading & Logistik, Speicherung und Infrastruktur. OMV betreibt Gasförderung im Inland sowie international z. B. aus Norwegen, Rumänien, Nahost. Das Unternehmen ist überdies einer der Hauptakteure im Central European Gas Hub (CEGH) – dem zentralen Gashandelsdreieck Europas. Man betreibt umfangreiche Gasspeicher in Österreich, die als Reserve für ganz Mitteleuropa dienen. Über Beteiligungen an der Gas Connect Austria kontrolliert OMV Teile des Fernleitungsnetzes und Transitrouten – etwa für Gas aus der Slowakei, Tschechien und Italien. Trotz der EU-Sanktionsrhetorik bleibt Österreich auch in 2025 einer der größten Importeure russischen Pipelinegases, ein Großteil wird durch die OMV abgewickelt. Gleichzeitig forciert das Unternehmen aber auch Diversifizierungsmaßnahmen, etwa durch Beteiligung an LNG-Hubs, Kooperationen in Norwegen sowie Power-to-Gas-Technologien. OMV wächst stark und beteiligt seine Anleger durch Sonder-Dividenden außergewöhnlich am Gewinn. Der Kurs ist mit 3-Jahres-Schwankungen zwischen 36 und 50 EUR sehr stabil, die Bewertung mit 14,5 Mrd. EUR und einem Kurs-Umsatz-Ratio von 0,4 sehr günstig. Das gleiche niedrige Verhältnis liegt bei Centrica vor. Beide sind geeignet für den „Sparstrumpf“!
Fazit
Mit dem angekündigten Ausstieg aus den russischen Gas-Lieferungen lehnt sich Brüssel weit aus dem Fenster. Manche Staaten wie z.B. Ungarn, Tschechien und die Slowakei interessiert das recht wenig, sie entscheiden nach lokalen Notwendigkeiten. Gerade hier zeigt sich die große Uneinigkeit in einer einheitlich-zentralistischen Energiepolitik. Von außen betrachtet, sollte die EU die Regelung von Notwendigkeiten dem Markt überlassen und geopolitische Konflikte nicht zum Maßstab wirtschaftlicher Entwicklung machen. Denn Energie ist ein wichtiger Standortfaktor. Die Befüllung der Gasspeicher für den kommenden Winter steht ebenso auf wackeligen Füßen wie die mittelfristige Versorgung. An den Engagements ausländischer Gesellschaften wie CanCambria in Ungarn kann man Ablesen, welch gute Chancen für internationale Investoren vorliegen. Der EU-Energie-Sektor braucht Visionen für eine stabile Versorgungslage in der Zukunft. Für Anleger gilt: Eine sinnvolle Streuung über Sektoren und Staaten verringert die Einzelrisiken im Portfeuille.
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