Die Klimawende und der Trend zu erneuerbaren Energien bedeutet für Mitteleuropa ein großes Rohstoffproblem. Denn wir verfügen in Sachen Batteriemetallen schlichtweg über fast keine Bergbaubetriebe und auch keine erschlossenen Ressourcen. Die Mangellage könnte angesichts der Beschlüsse in der EU daher kaum größer sein, denn nach dem jüngsten Gesetz zum „Verbrenner-Aus“ gehen die Planungen in Richtung 50 Millionen E-Fahrzeuge in 2030 allein in Europa. Zum Vergleich: Aktuell fahren auf deutschen Straßen ca. 1,4 Mio. Elektro- und Hybridfahrzeuge bei einem Gesamtbestand von 49,5 Mio. Autos – macht einen Marktanteil von 2,8%. Laut Prognosen prominenter Institute soll diese Anzahl bis 2030 auf ca. 15 Mio. Fahrzeuge oder gut 28% Quote steigen, sich also von heute weg verzehnfachen. Alles deutet darauf hin, dass die Rechnung ohne eine seriöse Lithium-Kalkulation aufgestellt wurde. Denn im Jahr 2022 wurden gerademal 130.000 Tonnen weltweit produziert. Im schlimmsten Fall geht der Bedarf aber auf 320 bis 550 Tausend Tonnen des weißen Metalls. Eine Steilvorlage für kommende Minenbetriebe.

Klimaziele 2050 – Der Lithiumbedarf steigt auf etwa 1 Mio. Tonnen pro Jahr

Trotz dieser offensichtlichen Knappheit in der Produktionsbetrachtung herrscht am aktuellen Lithium-Markt eher ein Überschuss. Das liegt an der langfristigen Ausrichtung des gesamten Sektors. So haben Experten berechnet, dass pro Jahr ungefähr 5% des aktuellen Lithium-Bedarfs an Minen-Neuerschließungen oder Produktionsausbau hinzukommen. Das reicht für die rückläufige Konjunkturentwicklung durch Corona und den Ukraine-Krieg derzeit tatsächlich aus. Spiegelbild dieser momentan ausreichenden Marktbelieferung ist der chinesische Future-Preis auf Lithium, der wiederum die Preiserwartungen der Zukunft und die aktuelle Liefersituation abbildet. Dieser fiktive Preis für Lithium-Carbonat ist seit seinem Hoch bei 600.000 CNY im November 2022 in nur 5 Monaten auf 217.500 CNY oder über 60% zurückgefallen. Dies erklärt den starken Preisverfall der Aktienkurse der Produzenten, welche in jüngster Zeit bis zu 50% abgegeben mussten.

(Bildquelle: TradingEconomics.com vom 05.04.2023 / Lithium Future Preis in chinesischen Yuan)

Ungeachtet der Preisdiskussion für Lithium muss sich der Markt über die tatsächliche Durchdringung der E-Mobilität im Neuerwerb Gedanken machen. Denn wegen auslaufender Subventionen sollte Chinas Nachfrage nach Elektrofahrzeugen weiter unter Druck geraten. Zwar werden in 2023 wahrscheinlich an die 9 Millionen Elektrofahrzeuge ausgeliefert, die Konsumausgaben für langlebige Güter sind aber zuletzt gesunken. Chinas führender NEV-Hersteller Build Your Dreams (BYD; China: BY6 WKN: A0M4W9 ISIN: CNE100000296) forderte die politischen Entscheidungsträger Chinas jüngst auf, seine NEV-Kaufsubventionen bis 2025 zu verlängern, um eine weiterhin positive Entwicklung in der E-Mobilität zu fördern.

Tesla Motors (NDX: TSLA WKN: A1CX3T ISIN: US88160R1014) hatte zu Anfang der Woche einen Absatz von 422.875 Fahrzeugen für das erste Quartal 2023 berichtet. Das ist gegenüber 2022 zwar ein Anstieg von 36%, sequentiell ist die Quartalsveränderung mit +4,2% aber eher enttäuschend. Weltweit laufen die Subventionen für E-Mobile nun aus, d.h. der Konsument entscheidet mit seinem Geldbeutel, ob er beim Autoneukauf in die umstrittene E-Technologie wechselt. Denn im Schnitt kostet ein E-Fahrzeug immer noch 30% mehr als ein Verbrenner mit gleichen Leistungsdaten und in Sachen Komfort kann ein Stromer gerade im Winter dem Verbrenner nur schwer in die Parade fallen. Trotz dieser offensichtlichen technischen Barrieren muss mit weiterhin hohem politischem Druck in Sachen Klimawende gerechnet werden. Sollte sich weltweit tatsächlich ein Verbot der Verbrenner durchsetzen lassen, steigt der Lithiumbedarf raketenähnlich an und wird sich um ca. 20-25% pro Jahr noch oben anpassen. Bereits im Jahr 2027 wäre der Bedarf bei über 250.000 Tonnen anzusiedeln, gegenüber einer Jahresproduktion von 130.000 Tonnen in 2022.

SQM und RIO TINTO – Können die Majors noch eine Schippe drauflegen?

Die größten Förderländer in Sachen Lithium sind derzeit Australien, Chile und China. Die weltweit bekannteste Mine ist der staatliche kontrollierte Konzern SQM Sociedad Quimica Minera de Chile (NYSE: SQM WKN: 895007 ISIN: US8336351056). SQM ist ein führender Low-Cost-Lithiumproduzent, der erheblich vom Preisanstieg des weißen Metalls im vergangenen Jahr profitiert hat. Genauso leidet der Aktienkurs derzeit unter dem Verfall der Spotpreise. Momentan wird von Analysten erwartet, dass SQM in den Jahren 2022 bis 2025 einen Gewinnrückgang von ca. 7% per annum verzeichnen wird, da zum einen die politischen Gegenwinde zunehmen, andererseits starke Kostensteigerungen hingenommen werden müssen. In 2022 hat SQM einen Abbau von 180.000 metrischen Tonnen erreicht, bis 2025 sollen mit Einsatz von ca. 2,5 Mrd. USD Erschließungskosten eine Förderleistung von 210.000 metrische Tonnen erreicht werden.

(Bildquelle: SQM Präsentation; März 2023; Seite 12)

SQM gehört zu den drei größten Lithiumproduzenten der Welt. Das Unternehmen konzentriert seine Bemühungen auf den Salar de Atacama und nutzt die Kostenvorteile einer voll erschlossenen Lagerstätte. Bemerkenswert ist, dass die Mine die höchste Konzentration von Lithium weltweit aufweist und von den hohen Verdunstungsraten in der chilenischen Wüste profitiert. SQM erzielt seine Gewinne zu rund 70% aus Lithium, der Rest verteilt sich auf die Produktion von Jod und Nitraten. Im laufenden Jahr wird auch bei gesunkenen Preisen eine EBITDA-Marge von über 50% erwartet.

Ein neues Blockbuster-Projekt wartet in Serbien auf Genehmigung. Die Rede ist von „Jadar“ im Westen des Landes. Der britisch-australische Konzern Rio Tinto (ASX: RIO WKN: 855018 ISIN: AU000000RIO1) will an dieser Stelle jährlich 58.000 Tonnen des begehrten Metalls fördern – und trifft auf heftigen Widerstand. Glaubte man an eine vorläufige Genehmigung im Jahr 2021, so ist nun alles wieder offen, denn der Protest in der Bevölkerung ist gewaltig. Das Projekt umfasst eine Investitionssumme von 2,4 Mrd. USD, aber um die euphorisch prognostizierte Versorgungslücke bis 2030 zu schließen, bräuchte es laut Rio Tinto mehr als 60 Jadar-Projekte in Folge. Die geplante Mine soll bei voller Auslastung nach 5 Jahren etwa 58.000 Tonnen Lithiumcarbonat, 160.000 Tonnen Borsäure und 255.000 Tonnen Natriumsulfat pro Jahr produzieren. Wegen der umfangreichen Beschwerden setzten die Behörden einen fertigen Flächennutzungsplan für die geplante Mine erst mal aus, lehnten das Mammut-Projekt jedoch noch nicht vollständig ab.

ALLKEM – Nach der Fusion ist vor der Expansion

Wie Anfang 2023 bekannt wurde, hat das kanadische Ministerium für Umwelt und Klimawandel grünes Licht für das Lithiumminenprojekt James Bay gegeben, wenn auch unter der Auflage, dass das Projekt über seine gesamte Betriebsdauer unter Aufsicht steht. Das James Bay-Projekt liegt rund 100 Kilometer östlich von der Stadt James Bay und befindet sich im Besitz des Lithiumkonzerns ALLKEM Ltd. (ASX: AKEI, WKN: A3C8Z7, ISIN: AU0000193666). Nach Akzeptanz der Umweltprognosen legte das Ministerium rechtlich verbindliche Bedingungen fest, welche die Allkem-Tochter Galaxy Lithium über die Betriebsdauer des Projekts hinweg erfüllen muss. Dazu gehören Maßnahmen zum Schutz von Fischen und deren Lebensräumen, Zugvögeln und bedrohten Vogelarten, von Feuchtgebieten, Waldkaribus und gefährdeten Fledermäusen. Darüber hinaus müssen die Gesundheit die traditionellen Nutzungen der First Nations „Cree“ gewahrt bleiben. Das Projekt unterliegt zudem noch der Bewertung durch das Environmental and Social Impact Review Committee der Provinzregierung, deren Prüfverfahren bis heute noch läuft. Allkem beabsichtigt den Bau einer Open-Pit-Mine sowie einer Konzentratoranlage, daneben braucht es natürlich Platz für Abraum, Erz und eine Infrastruktur-Anbindung. Geplant ist eine durchschnittliche Produktion von 5.480 Tonnen pro Jahr bei einer geschätzten Betriebsdauer von 15 bis 20 Jahren. Ein großes Projekt, aber im Sinne eines Weltmarktanteils eben auch nur etwa 1,5%.

Die Hoffnung liegt in neuen Projekten: Q2 Metals, Patriot Battery Metals, Balkan Mining

Die Vorabgenehmigung in der James Bay sendet wichtige Signale in die Region, denn andere Juniors wie Patriot Battery Metals Inc. (TSX-V: PMET WKN: A3CREZ ISIN: CA70337R1073), Li-FT Power (CSE: LIFT WKN: A3DQFE ISIN: CA53000A1066) oder die vor Kurzem mit der Übernahme des Lithiumprojekts Mia eingestiegene Q2 Metals (TSX-V: QTWO, WKN: A3D4CR, ISIN: CA74739G1072) wollen mit ihren Projekten fortschreiten. Immerhin sind die Chancen für alle Lithium-Projekte mit der Entscheidung des Ministers nach klar gestiegen. Von den Lithium Hotspots wie der James Bay Area ist es nicht weit bis zu den Automobilhochburgen wie Detroit – ein gewichtiger logistischer Vorteil. Die Gegend gilt als infrastrukturell vergleichsweise gut erschlossen, entscheidender ist jedoch die Geologie: In den von den Explorern fokussierten Regionen gibt es zahlreiche Pegmatite, in denen das begehrte Batteriemetall anzutreffen ist. Das Vorzeigeprojekt von Patriot Metals ist das Konzessionsgebiet Corvette, das sich in der Nähe der Trans-Taiga-Straße und des Stromleitungskorridors in der Region James Bay in Québec. Das Landpaket beherbergt beträchtliches Lithiumpotenzial, das durch einen 3,15 km langen Spodumen-Pegmatit gebildet wird. Es wurden Li2O-Gehalte zwischen 1,5 und 6,5% gemessen, was eine vielversprechende industrielle Ausbeute ermöglicht.

Wegen der guten Jurisdiktion sind bereits einige Mining-Größen aus Australien in der Region gesichtet worden. Unter den neuen Namen finden sich Branchen-Veteranen wie etwa Ken Brinsden (ehemals Pilbara Minerals), David Southam (Mincor), Cris Evans (Altura Mining), Mark Connolly (Calidus Resources) und Karl Simich (Sandfire Resources). Karl Simich wechselte kürzlich in die Führungsriege des australischen Lithium Explorers Balkan Mining and Minerals Ltd. (ASX: BMM WKN: A3C28E ISIN: AU0000157455). Das Unternehmen, das an der australischen ASX und der Frankfurter Börse notiert, bearbeitet ein Portfolio mit Lithiumprojekten in Kanada und Serbien. Große Hoffnungen setzt der Explorer in das Gorge Lithium Projekt in der kanadischen Provinz Ontario, ein nach Zukäufen auf mittlerweile 43 Quadratkilometer angewachsenes Areal, auf dem bereits in den 1950er Jahren Pegmatite identifiziert wurden. Das Projekt befindet sich im Georgia Lake-Pegmatit-Distrikt, unweit des deutschen Lithium-Projekts von Rock Tech. Ein Vorbesitzer hatte hier bereits in 2018 Proben entnommen, die Lithiumwerte von bis zu 3,22 % Li2O ergeben hatten. Seit Oktober 2022 gehört nun auch das Tango Projekt in der Provinz Ontario zum Portfolio von Balkan Mining. Auch hier ergibt sich ein einschlägiges Muster mit der Nachbarschaft zum Jackpot-Projekt von Imagine Lithium und zum Georgia Lake-Lithiumprojekt von Rock Tech mit umfangreichen Pegmatitformationen. Das Unternehmen besitzt darüber hinaus weitere Explorationsprojekte in Kanada sowie in Serbien, das als künftiger europäischer Hotspot gehandelt wird. Fraglich bleibt, ob die Planungen von Rio Tinto in Serbien aufgehen, denn hier bleiben noch einige Sachverhalte ungeklärt. Experten halten eine schnelle Genehmigung für eher unwahrscheinlich.

Solchen Widerstand müssen Explorer im bergbaufreundlichen Kanada kaum fürchten, weil das Land über eine gewachsene Kultur des Interessenausgleichs verfügt. Mit dem notwendigen, speziellen Know-how haben Explorer in der James Bay Area gute Chancen, Projekte in Richtung Produktion zu entwickeln. Dieses Know-how setzt in persona gerade aus Australien über. Im Fall von Balkan Mining etwa ist Karl Simich mit der wichtigen Rolle für Strategie, Unternehmensentwicklung und Wachstum betraut. Von ihm wird erwartet, dass er die besonderen Anforderungen an die Explorationsvorhaben in der Region meistern wird. Das lässt auf schnellen Fortschritt hoffen, denn die Zeit drängt. In nur 3-5 Jahren wartet der Markt auf weitere 150.000 Tonnen Lithium, diese müssen aber erst geschürft werden. Branchenkenner vermuten die nötigen Erst-Investitionen bei etwa 15 Milliarden USD.

Mit Blick auf die Kapitalerfordernisse ist das Umfeld derzeit sehr herausfordernd. Denn die Zinsen und Risikoparameter der Finanzierer steigen, das mahnt auch die Eigenkapitalgeber zur Vorsicht. Dann noch der permanent sinkende Lithium-Preis, der die Barwerte der Projektkalkulationen entsprechend drückt. Die angespannte Lage ist für die Balkan Mining derzeit kein Problem, denn per Jahresende 2022 befanden sich noch 3,6 Mio. AUD in der Kasse. Aktuell kann man sich auf das Wesentlichste beschränken und ruhig zuschauen, welche Genehmigungen demnächst über den Äther flattern. Wenn der große Run auf die Liegenschaften losgeht, kann Balkan Mining immerhin 7 Projekte ins Feld werfen und sich mit anderen Gesellschaften um die Realisierung kümmern. Die aktuell 57,1 Mio. Aktien sind aktuell mit nur 13,9 Mio. AUD bewertet. Ein Schnäppchen unter den vielen jungen Lithium Explorern.

Fazit

Die Börse steht derzeit vor großen Aufgaben. Zum einen muss der Zinsanstieg der letzten 12 Monate verarbeitet werden, das betrifft vor allem die Bewertung von Wachstumswerten und Explorer-Titeln. Die hohe Inflation, der allgemeine Kostendruck wegen manifestierter Energiepreise und aktuell sinkende Lithiumpreise drücken auf die Margen und vermindern die Bilanzqualität der Protagonisten. Viele Projekte wurden mit deutlich höheren Lithiumpreisen gerechnet und müssen auf aktuellem Niveau neu kalkuliert werden. Daher sind die Börsenkurse im Rohstoff-Segment unter Druck. Genauso schnell kann der Wind aber drehen, wenn die E-Mobilität gemäß öffentlichen Beschlüssen sich tatsächlich unter dem Begriff „Zukunfts-Mobilität 2035“ wiederfinden sollte. In diesem Fall dürften die hier besprochenen Werte eine blühende Kurs-Rallye vor sich haben.

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Verfasst von nebenwerte ONLINE Redaktion

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